In der aktuellen „Welt der Gesundheitsversorgung“ zeigen wir auf, wie akut und dringend das Thema Klimaanpassung und insbesondere der Hitzeschutz sind.

Es liegt auf der Hand, dass sich Klimaveränderungen nicht nur auf die Natur und Umwelt auswirken, sondern auch auf die Gesundheit der Menschen. Sich den Auswirkungen zu stellen, um das Leben erträglich und weitestgehend auch gesundheitsförderlich zu gestalten, ist eine wichtige Herausforderung der Gegenwart und Zukunft. So kann davon ausgegangen werden, dass nach dem Extrem-Wetter-Kongress Ende September 2024 die kommenden Extremwetterphänomene und deren gesundheitlichen Folgen ins Haus stehen. Auch Routinedaten der Betriebskrankenkassen tragen zur Aufklärung bei. Unser Autor macht vor dem Hintergrund einer Studie mit solchen Daten eine Bestandsaufnahme in mehreren Schritten.

Die aktuellen Entwicklungen zeigen, wie akut und dringend das Thema Klimaanpassung und insbesondere der Hitzeschutz sind:

Global: Der Sommer 2024 war bislang hinsichtlich der Durchschnittstemperaturen weltweit der wärmste seit Aufzeichnungsbeginn.

Wahrscheinlich wird dieses Jahr global auch das wärmste Jahr seit Aufzeichnungsbeginn.

EU: Auch in Europa verzeichnen wir den wärmsten Sommer seit jeher (1,54°C über langjährigem Mittel). Der letzte Rekord stammt aus dem Jahr 2022 (+1,34°C).

Der Klimawandel mit seinen weitreichenden Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit erfordert eine systematische Auseinandersetzung mit Ursachen und Auswirkungen. Vor diesem Hintergrund gewinnt Hitzeschutz auch in Deutschland sukzessive an Bedeutung. Nicht umsonst hat die Gesundheitsministerkonferenz der Länder im September 2020 beschlossen, bis 2025 eine flächendeckende Erstellung von Hitzeaktionsplänen in Kommunen voranzutreiben. Diese sollen als Instrument der Prävention vor gesundheitlichen Folgen dienen.

Auf dem Extrem-Wetter-Kongress /Deutsche-Klima-Management-Tagung in Hamburg hat der BKK-Landesverband NORDWEST den Hitzeschutz in Kommunen und Gemeinden in den Blick genommen. Zwei Impulsvorträge lieferten wertvolle und hilfreiche Einblicke aus der Praxis in Bezug auf die verschiedenen Schritte, Schwierigkeiten und Ansatzpunkte für die Entwicklung kommunal passgenauer Hitzeaktionspläne.

Der Prozess zur Erstellung eines Hitzeaktionsplans bringt dabei ein breites Spektrum kommunaler Akteure aus den verschiedensten Institutionen, Sektoren und der Zivilgesellschaft zusammen. Sinn und Zweck ist es, die Koordination und Zusammenarbeit vor, während und nach einer Hitzewelle zu verbessern. In der vom BKK-Landesverband NORDWEST moderierten Session „Hitzeschutz in Kommunen und Gemeinden“ zeigte sich, wie wichtig der vorausschauende Schutz der Bevölkerung und der fruchtbare Austausch mit Fachleuten aus Kommunen, Verbänden und Dienstleistern ist. Bianka Schiefer und Yvonne Wieczorrek stellten den Kölner Hitzeaktionsplan vor. Dessen Dringlichkeit veranschaulichen sogenannte Warming Stripes für Köln. Sie bilden die stadtklimatische Entwicklung von 1881 bis 2023 als jährliche Durchschnittstemperatur grafisch ab. Das eindringliche Ergebnis: Hitzeperioden mit Temperaturen über 40 C nehmen zu. In ihrem Vortrag „Spitze gegen Hitze“ beschrieben die Referentinnen des Umwelt- und Verbraucherschutzamtes der Stadt Köln Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel.

 

Klimawandelfolgen in Köln

Laut Ratsbeschluss zu „Strukturen und Ressourcen für eine integrierte Klimafolgenanpassung in der Stadt“ wurden diese vor drei Jahren konstituiert. Neben der Querschnittsaufgabe, eine Strategie für eine integrierte Klimafolgenanpassung partizipativ zu erstellen und konsequent umzusetzen, enthält der Plan einen Katalog an Sofortmaßnahmen. Für diese werden bis zu 50.000 Euro zur direkten Umsetzung bereitgestellt. Der Prüfpunkt „Klimawandelanpassung“ gilt für alle Beschlussvorlagen der Stadt. Auch stellt eine Bestandsaufnahme über alle Ämter hinweg fest, welche Maßnahmen bereits umgesetzt werden. Dies alles koordiniert die zentrale Stelle KlimaAnpassungsManagement (KAM), ebenso wie Stadtklimagutachten mit neuen „Klimaeingangsdaten“ und Förderprogramme für besonders betroffene Zielgruppen. Zu den besonders vulnerablen Gruppen zählen:

  • Säuglinge und kleine Kinder
  • Menschen mit schweren Vor- und Grunderkrankungen
  • Ältere Menschen
  • Menschen, die überwiegend ungeschützt draußen arbeiten oder draußen Sport betreiben
  • Wohnungslose Menschen
  • Schwangere
  • Menschen, die in dicht bebauten (Innen-) Städten leben

Um die Ansprache möglichst zielgruppengerecht zu gestalten, haben sich die Klimaplaner der Stadt verschiedene Instrumente einfallen lassen. So bietet das digitale Hitze-Portal der Stadt Köln im Netz wesentliche Informationen auf einen Blick. Ein Hitzeknigge findet sich dort ebenso wie eine interaktive Stadtkarte, um kühle Orte im Stadtgebiet auszumachen. Neben einem Hitzewarnsystem im Stadtgebiet – z. B. auf Schalttafeln an Bahnsteigen – setzen die Planer auf Klimabildung etwa durch Informationsstände auf Kölner Wochenmärkten und Veranstaltungen, ein eigenes Modul im Medizinstudium zum Thema Klimawandel in der Allgemeinmedizin oder Vor-Ort Schulungen in Pflegeeinrichtungen und KiTas als Angebot des Gesundheitsamtes. Unter dem Motto „Gesunde Stadt der Zukunft“ werden auch städteplanerische Maßnahmen zur Verbesserung des lokalen Stadtklimas angestoßen. Hierzu zählt die Rückgewinnung von Grünflächen durch Entsiegelung und Begrünung dieser Flächen ebenso wie die Errichtung von grünen Aufenthaltsräumen mit hoher Aufenthaltsqualität. Über das Förderprogramm Grünhoch3 wird privates Engagement gefördert, etwa zur Dach- oder Fassadenbegrünung.

 

Der Naturcent hilft Hamburg zu atmen

Auch in Hamburg sprechen sich die Stadtplaner für die Begrünung, Befeuchtung, Belüftung von Straßen und Plätzen aus. Dr. Maja Berghausen von der Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft (BUKEA) Hamburg veranschaulichte, wie die Stadt auf den Klimawandel reagiert. Bereits vor acht Jahren beschloss der Senat der Hansestadt unter dem Stichwort „Naturcent“, die Grundsteuer bei Wohnungs- und Gewerbebauten in einer bestimmten Flächenkulisse für die Aufwertung von Grünanlagen und Naturschutzgebieten zu verwenden. Vor der Nutzung einer freigegebenen Fläche wird das Grundsteueraufkommen ermittelt. Der Zuwachs der Grundsteuereinnahmen durch die Bebauung wird in einen Sonderfonds für Naturschutzmaßnahmen sowie in die Mittel für die Pflege und Entwicklung von Parks und Grünflächen gegeben. Bauherren, Mieter und Eigentümer werden nicht belastet.

Im Jahr 2019 kam es unter dem Titel „HH Grün erhalten“ zu einer Einigung mit der Volksinitiative des NABU. Vertragspartner waren sowohl die Hamburger Behörden und Bezirke sowie öffentliche Unternehmen. Die Vereinbarung zielt auf den Erhalt einer öffentlichen Flächenkulisse des Grünen Netzes. Zusätzlich zur naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung enthält sie ein Kompensationsgebot im Bebauungsfall.

Inzwischen konnte eine Fläche von 100 Hektar auf den Dächern der Hansestadt begrünt werden. Für 1,85 Millionen Einwohner stehen in Hamburg 3900 Hektar an Parks und Grünflächen zur Verfügung. Gemäß Flächennutzungsplan sind 9,83 Prozent der Gesamtfläche Hamburgs Naturschutzgebiete. Im Stadtgebiet stehen 225 000 Straßenbäume.

Um weitere Klimamaßnahmen zu modellieren, arbeiten die Klimaplaner mit detaillierten Analysedaten aufgrund thermischer Karten zum Stadtklima.

 

Stadtbevölkerung reagiert unmittelbar auf den Klimawandel

Wie sehr die Gesundheit der Bevölkerung mit Klimadaten korreliert, zeigen nicht nur die Beispiele zum Stadtklima. Analysen des BKK-Landesverband NORDWEST bestätigen, dass klimasensible Erkrankungen in den letzten 10 Jahren in Deutschland teilweise drastisch angestiegen sind. Im Gespräch mit Eckhart von Hirschhausen brachte Vorstand Dirk Janssen auf dem Extremwetterkongress in Hamburg ein anschauliches Beispiel: „Erhebungen unseres Landesverbandes weisen auf ein deutlich vermehrtes in der Hamburger Innenstadt im Vergleich zu den Außenbezirken hin.“ Um die weitere Ausbreitung klimasensibler Krankheiten zu verhindern, fordert der BKK-Landesverband NORDWEST gemeinsam mit Medizinern und Klimaforschern mehr Investitionen in die Klimafolgenanpassung – vor allem durch besseren Hitzeschutz der Kitas, Schulen, Kliniken und Pflegeeinrichtungen.

Studie: Auswirkungen thermischer Belastungen auf die Gesundheit

Eine bundesweite Analyse auf der Basis von Abrechnungsdaten (ambulant und stationär) der Betriebskrankenkassen scheint die Beeinträchtigung der menschlichen Gesundheit aufgrund zunehmender thermischer Belastungen zu bestärken. Hohe Lufttemperaturen bzw. Hitzeextreme und ihre Auswirkungen auf die Bevölkerung sind offenbar besonders relevant.

„Die Beeinträchtigung der menschlichen Gesundheit aufgrund zunehmender thermischer Belastungen zählt vermutlich zu den bedeutendsten Auswirkungen des Klimawandels auf die Gesundheit. Wenngleich auch Kälte die Gesundheit schädigen kann, stehen hohe Lufttemperaturen bzw. Hitzeextreme und ihre Auswirkungen auf die Bevölkerung besonders im Fokus. Ursache dafür ist die markante Zunahme von Ereignissen hoher thermischer Belastung während der letzten 2 Jahrzehnte“, betonen die Studienautoren.

Zugrunde gelegt wurden die Jahre 2012–2021. Die Studie umfasst circa elf Millionen gesetzlich Krankenversicherte. Sie zeigt, dass sich auch in GKV-Routinedaten Zusammenhänge zwischen thermischer Belastung und Morbiditätsmarkern finden lassen. Ein weiteres Plädoyer für die Notwendigkeit von Anpassungsmaßnahmen.

Dabei sind die Folgen hoher thermischer Belastungen auf den Körper vielfältig. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) benennt sowohl direkte als auch indirekte Folgen starker Hitzebelastungen. Hitzebedingte Gesundheitsstörungen haben direkte Auswirkungen. Neben Hitzekrämpfen oder einem Hitzschlag wirkt sich der Verlust an Körpervolumen besonders erheblich aus (Internationale Klassifikation der Krankheiten: ICD-10- Code E86). Darunter zu verstehen ist sowohl ein Flüssigkeitsdefizit, unter anderem aufgrund unzureichender Wasserzufuhr (Dehydration), als auch ein zusätzlicher Verlust von Natrium (Hydrovolämie).
Diese Faktoren können durch Vorerkrankungen der Niere und Diuretika-Einnahme verstärkt werden. Starke Hitzebelastung kann auch zu einer Verschlimmerung bestehender Erkrankungen (z. B. Atemwegserkrankungen, Diabetes mellitus, Nierenerkrankungen) und zu vorzeitigen Todesfällen aufgrund von Atemwegserkrankungen, Herz- Kreislauf-Erkrankungen oder sonstigen Erkrankungen führen.

Indirekt wirken sich vermehrt aufkommende Hitze und steigende Temperaturen auch auf das Gesundheitswesen aus. Es kommt vermehrt zu Rettungseinsätze) oder zu einem erhöhten Unfallrisiko etwa durch Arbeitsunfälle. Auch steigt die Ansteckungsgefahr von durch Wasser übertragene Infektionserkrankungen. Schaden nehmen kann auch die Infrastruktur an sich, zum Beispiel im Bereich der Wasserversorgung. Darüber wird ein Zusammenhang von psychischen Erkrankungen und einem durch steigende Temperaturen erhöhten Suizidrisiko oder aggressivem Verhalten gesehen.

 

Studiendesign und Ergebnisse

Berücksichtigt wurden vier ICD-10-Diagnosen, die mit dem Einfluss von Hitze in Verbindung gebracht werden können: T67 (Schäden durch Hitze und Sonnenlicht), E86 (Volumenmangel), N17 (akutes Nierenversagen) und N19 (Niereninsuffizienz). Die thermischen Bedingungen wurden mittels meteorologischer Variablen bestimmt. Die Auswertung erfolgte für die 2. und 3. Quartale (Q2, Q3) mit Hilfe beschreibender Verfahren und Korrelationsanalysen mit Messwiederholungen. Die Berechnungen umfassten das flächengewichtete Mittel der mittleren 2-MeterLufttemperatur, der mittleren Tageshöchsttemperatur (Tmax) sowie die mittlere Anzahl von Hitzetagen (Tmax >30 °C) und Tropennächten aller Bundesländer als auch für Deutschland insgesamt.

Der Datensatz umfasst die quartalsweise erfassten Fallzahlen pro 100.000 Versicherte. Die Erkrankungsfälle sind in ambulante und Krankenhausentlassungsdiagnosen (stationär) unterteilt.

Die Diagnosen für akutes Nierenversagen und Niereninsuffizienz wurden auch deswegen berücksichtigt, weil beide Diagnosen eine mögliche Folge der Verminderung der im Kreislauf zirkulierenden Blutmenge darstellen.

Besonders in den Jahren 2016, 2018 und 2020 wurden hohe Temperaturen verzeichnet. Im Vergleich vom zweiten Quartal zum dritten Quartal wurde im Durchschnitt aller Jahre eine höhere thermische Belastung verzeichnet. Parallel dazu stiegen die hitzeassoziierten Diagnosen an. Bundesweit stehen die ambulanten Diagnosen für Schäden durch Hitze und Sonnenlicht in Wechselbeziehung zu der Anzahl heißer Tage. Wenngleich die thermische Belastung laut Studie in Q2 geringer ist, zeigt sich auch hier ein ähnlicher Zusammenhang. Dieses hervorstechende Ergebnis ergab sich ebenfalls bei der Analyse nach Bundesländern. Die mit Unterstützung des BKK-Landesverbandes NORDWEST zusammengetragenen Abrechnungsdaten legen eindeutig dar, dass sich auch in GKV-Routinedaten Zusammenhänge zwischen thermischer Belastung und Morbiditätsmarkern finden lassen.

Für die kommenden Jahre prognostizieren Klimaforscher einen weiteren Anstieg der Durchschnittstemperaturen und Hitzespitzen. Umso mehr verweisen die in dieser Studie dargestellten Zusammenhänge auf die Dringlichkeit von Anpassungsmaßnahmen. Auch die Politik sollte sich gegenüber dieser Erkenntnis nicht verweigern.

Link zur Studie: https://t1p.de/0pkpg